#möglichmacherinnen

Gastbeitrag von urban shorts | Das Metropole Magazin  |  16. September 2021

urban shorts - Das Metropole Magazin im Gespräch mit unserer Geschäftsführerin Nicola Vock

Nicola Vock … liefert Kultur
Musiker*innen müssen nicht nur musikalisch improvisieren

Konzerte im Treppenhaus, im Hinterhof, auf öffentlichen Plätzen – Wenn Menschen nicht zur Kultur kommen, bringen Nicola Vock und die Kammerphilharmonie die Kultur zu den Menschen. Musiklieferdienst ist eine ihrer Ideen, mit der sie zugleich aber auch auf die schwierige Situation der freien Szene aufmerksam machen. Eine andere: Das Bespielen eines prominenten Leerstandes beim Aktionstag von Making Frankfurt. Zwischen Möglich-Machen und Nach-Möglichkeiten-zum-Machen-Suchen …

Es ist einer der prominentesten Leerstände, welche Frankfurt im Moment zu bieten hat. Mitten in der Corona-Pandemie, in der alle vom Veröden der Innenstädte sprechen, dümpelt neben der Hauptwache bis auf ein paar gelegentliche Events ein ganzes ehemaliges Sport-Kaufhaus vor sich hin. Am Samstag wird das triste Basement zur improvisierten Konzerthalle. Béla Bartók, Emilie Mayer, Carlos Gardel – Am Nachmittag füllt ein Quintett der Kammerphilharmonie Frankfurt, einem kleinen wie feinen, aber vor allem freien Ensemble mit Musiker*innen von Deutschland über Russland und Spanien bis Argentinien, mit den konzertanten Klängen der drei Komponist*innen jene weitläufige Halle, in der bis vor kurzem noch Trikots und Skischuhe verkauft wurden. Zum Aktionstag der Initiative »Making Frankfurt« bespielen sie buchstäblich jenen Ort mit ihrer Klassik – pars pro toto gleichsam für die vielen Leerstände in der Innenstadt und für die vielen freien Ensembles, die Stätten zum Spielen und vor allem auch zum Proben suchen. »Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass es Räume für Musik geben muss, vor allem auch für die freie Szene«, beschreibt Geschäftsführerin Nicola Pacha Vock das große Anliegen hinter den kleinen Konzerten. Sie verweist auf die zahlreichen Leerstände im innerstädtischen Raum von Frankfurt, die durch Ensembles wie die Kammerphilharmonie genutzt und wiederbelebt werden könnten. Die Kammerphilharmonie teilt sich an diesem Tag den improvisierten Konzertraum noch mit drei anderen Ensembles.

Die Kammerphilharmonie hat – neben den Auftritten auf normalen Bühnen – in der Vergangenheit immer wieder auch solche Räume in der Stadt förmlich erschaffen, auf Plätzen, in Hinterhöfen, in Treppenhäusern oder eben in Leerständen. Im Sommer etwa gab es ein Kooperationsprojekt mit dem multinationalen Ensemble »Bridges – Musik verbindet«. Musiker*innen beider Orchester gaben unter dem Titel »Nachbarschaftsmusik« dezentrale Konzerte im Freien. Nur eine von vielen findigen Ideen, mit denen die Kammerphilharmoniker*innen sich zum Publikum brachten – in einer Zeit, in der das Publikum nicht zu ihnen kommen konnte. Dass Bühnenauftritte vor Publikum wegen der Corona-Pandemie nicht mehr möglich sein sollten, das ließen die Musiker*innen in den vergangenen Monaten nicht so stehen. Statt den Kopf sprichwörtlich in den Sand zu stecken und der Dinge zu harren, entwickelten sie Formate, mit denen Live-Auftritte für sie möglich blieben. Zum Beispiel den »Musiklieferdienst«, mit dem sie Klassik buchstäblich nach Hause zu den Menschen brachten. Gespielt wurde als Duett vor der Wohnungstür im Treppenhaus; jeweils bis zu zehn Minuten. Eine Idee, die so gut ankam, dass schon bald »MusiklieferdienstZwei« folgte: Mini-Konzerte in den Hinterhöfen von Wohngebäuden, deren Bewohner*innen die Gastgeber*innen der musikalischen Ereignisse wurden. Ob in kleinen Gruppen umstehend oder von den Fenstern herab applaudierend. Improvisation – das gehört nicht nur im musikalischen Sinne zur DNA der Kammerphilharmoniker*innen. Das Orchester ist ein freies Ensemble, versteht sich als ein »flexibler und zukunftsorientierter Klangkörper«, erarbeitet unter diesen Gesichtspunkten seine Formate – und das nicht erst seit Corona. »Möglich machen« gehört für diese Musiker*innen einfach selbstverständlich dazu. Auch in anderer Hinsicht: Das Besondere am Ensemble ist, dass dessen Mitglieder*innen nicht nur als Cellist*innen oder Bratschist*innen auf der Bühne agieren, sondern auch die organisatorischen und geschäftlichen Aufgaben selbst übernehmen. Vock ist etwa nicht nur Geschäftsführerin, sondern spielt zugleich den Kontrabass. Sie studierte an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK) in Frankfurt, außerdem Betriebswirtschaft an der Fernuniversität Hagen. Nach Engagements unter anderen beim Opern- und Museumsorchester Frankfurt, an den Staatstheatern Darmstadt und Wiesbaden sowie bei der Jungen Deutschen Philharmonie kam sie zur Kammerphilharmonie. Als eines ihrer Hobbys nennt sie auf der Website »bewegen«. Vock lebt für die klassische Musik. »Klassische Musik«, so die Kontrabassistin-Geschäftsführerin, »kann auch heute viel geben, selbst wenn der Kontext sich geändert hat«. Es sei wichtig, über neue Formate nachzudenken und zu überlegen, wie der Kontakt zu den Menschen hergestellt werden kann. Und es lohne sich, dafür immer wieder neue Wege zu gehen … (alf.)

Mehr Infos: Kammerphilharmonie | Die Reihe stellt urban-kulturelle »Möglich-Macher*innen« im Rahmen der Initiative und des Aktionstages »Making Frankfurt« vor

Quelle: https://www.urban-shorts.net/2021/09/01/nicola-fock-liefert-kultur/

Fotocopyright: Johannes Berger

 

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