#wirbeissennicht

Hanna Bruchholz15. November 2021

Von besonderen Begegnungen mit Menschen |
Wie wir einem Jungen ein Lächeln auf das Gesicht zauberten und ein Mann immer wieder zuhörte

Es war das letzte von unseren drei Konzerten an diesem Sonntag. Wir spielten das letzte Stück, das Publikum applaudierte begeistert und dankbar. Wir sprachen mit einigen von ihnen, die meisten wollten in der darauf folgenden Woche wiederkommen. Da kam eine Mutter mit Kinderwagen und einem etwa 5-jährigen Jungen, der uns Geld in den Kasten warf und dabei nicht besonders glücklich aussah. Seine Mutter erzählte uns, dass sie es nicht pünktlich zum Konzert geschafft hatten. Deswegen war ihr Sohn so traurig. In dem Moment verlor der kleine Junge die Fassung und begann bitterlich zu weinen. Ich versuchte ihn etwas aufzumuntern, indem ich ihm sagte, dass wir nächste Woche wieder da sein würden, und er dann das ganze Konzert hören könnte. Das half nur bedingt. Erst als ich ihm versprach, dass wir in der kommenden Woche sein Lieblingslied “Fuchs, du hast die Gans gestohlen” als Zugabe für ihn spielen würden, beruhigte er sich etwas. Und als Theresia ihm noch den Großvater auf dem Fagott vorspielte, stahl sich sogar ein Lächeln auf das kleine Gesicht. 

In der nächsten Woche hörte er das ganze Konzert. Selbstverständlich spielten wir sein Lieblingslied als Zugabe, und haben an diesem Sonntag zumindest einen kleinen Menschen sehr glücklich gemacht. 

Es sind diese Begegnungen mit den Menschen im Publikum, die wir bei herkömmlichen Konzerten so niemals gehabt hätten. Es war ein Publikum, das wir im altbekannten Konzertformat so nicht gehabt hätten. All die Kinder, die tanzend in der ersten Reihe standen, oder staunend mit dem Fahrrad anhielten und mit allen Sinnen zuhörten, mit einer Aufmerksamkeit, von der sich die meisten Erwachsenen eine große Scheibe abschneiden können. 

Am selben Ort, an dem sich die Geschichte mit dem kleinen Jungen zutrug, kam jedes Mal ein Mann, um etwas Geld zu spenden und zu fragen, ob wir nächste Woche wieder kämen. Er hörte immer aus seiner Wohnung zu. Als ich ihm in der einen Woche sagen musste, dass wir jetzt ein paar Wochen nicht spielen würden und erst Ende August wieder da sein würden, sagte er: “Schade, aber ich freue mich darauf!” Und er hörte zu aus seiner Wohnung, wie jedes Mal. Obwohl ich diesen Mann gar nicht kenne, habe ich mich so gefreut ihn zu sehen, als er nach dem Konzert kam, um sich zu bedanken und etwas Geld in den Kasten zu werfen.

Es sind diese Begegnungen, die das Format Nachbarschaftsmusik so besonders, so anders machen. Es ist ein Format, in dem wir dem Publikum viel näher sind, und das Publikum uns viel näher ist. 

So positiv und großartig das jetzt alles klingen mag, hat dieses Konzept natürlich auch eine Schattenseite. Es ist total wetterabhängig. An einem Sonntag sind wir mit dem Auto von Konzertort zu Konzertort gefahren. Beim ersten konnten wir immerhin 10 Minuten spielen, bevor wir wegen Regen abrupt aufhören und einpacken mussten. Das zweite Konzert fiel wegen Gewitter ins Wasser. Wir hatten zum Glück das Auto. Das dritte Konzert konnten wir zwar spielen, aber hatten sehr wenig Publikum und die Instrumente haben sehr unter der hohen Feuchtigkeit gelitten.

In einer Zeit, in der der Konzertbetrieb vollständig zum Erliegen kam und wir nicht arbeiten konnten, nicht unserer Profession, unserer Leidenschaft nachkommen konnten, hat mir die Nachbarschaftsmusik, wie auch der Musiklieferdienst und der MusiklieferdienstZWEI, wahnsinnig viel gegeben. Jetzt, in einer Zeit, wo es wieder möglich ist Konzerte zu veranstalten, freue ich mich darauf, wieder mit der Kammerphilharmonie Frankfurt als geschlossenes Ensemble aufzutreten. Aus der Nachbarschaftsmusik mitnehmen würde ich sehr gern den Kontakt zu den Menschen im Publikum. Sprecht uns an nach den Konzerten, wir beißen nicht. Im Gegenteil. 

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